Viele von uns sind mit diesem Spruch aufgewachsen. Und: (Zu) oft handeln wir auch danach. Verlustreiche Aktien werden im Depot behalten, Projekte ohne Erfolgsaussichten zu Ende geführt. Egal welche Mehrkosten dadurch entstehen.
Doch warum fällt es uns so schwer, getroffene Entscheidungen zu revidieren? Nachfolgend ein paar Hintergründe und wie es Ihnen gelingen kann Verluste durch Fehlinvestitionen zu begrenzen.
Beginnen wir mit einem kleinen Gedankenexperiment:
Stellen Sie sich vor, Sie sind Präsident eines Flugzeugproduzenten. Sie haben zehn Millionen Euro in die Entwicklung eines Flugzeuges gesteckt, das nicht vom Radar entdeckt werden kann. Als das Projekt zu 90% fertig ist, beginnt ein Konkurrent ein solches Flugzeug zu vermarkten, das leistungsfähiger und günstiger ist, als das Modell, das Ihr Unternehmen herstellt. Sollten Sie die letzen 10% der Forschungskosten in das Projekt investieren, um das Flugzeug fertigzustellen, oder sollten Sie das Projekt vorzeitig beenden? (Situation A)
Die meisten denken: "Also die 10% sind jetzt auch schon egal. Und wer weiß, vielleicht scheitert die Konkurrenz oder unser Marketing ist viel besser." Schnell finden wir einige mehr oder weniger gute Begründungen, warum man das Projekt abschließen sollte.
Was jedoch wenn sich der Rahmen unseres Beispiels etwas ändert? Wie würden Sie in diesem Fall entscheiden?
Sie sind Präsident eines Flugzeugproduzenten. Ein Mitarbeiter schlägt vor, eine Million Euro in die Entwicklung eines Flugzeuges zu investieren, das nicht vom Radar erfasst werden kann. Allerdings hat gerade ein Konkurrenzunternehmen begonnen, ein solches Flugzeug zu vermarkten. Es ist absehbar, dass dieses Konkurrenzmodell leistungsfähiger und günstiger sein wird, als das Modell, das Ihr Unternehmen herstellen kann. Sollten Sie das Geld in die Entwicklung des Flugzeuges stecken? (Situation B)
Die meisten "gedanklichen" Präsidenten lehnen diesen Entwicklungsvorschlag ab.
Doch die beiden Situationen haben erstaunliche Gemeinsamkeiten. In beiden Fällen gilt es zu entscheiden, ob eine Million Euro in ein Projekt mit geringen bis keinen Erfolgsaussichten investiert werden soll oder nicht. Und doch kommen wir zu unterschiedlichen Entscheidungen. Wären wir so rational, wie es uns die Wirtschaftstheorien nahelegen, so müssten wir in beiden Situationen gleich reagieren. Tun wir jedoch nicht. Denn für uns Menschen macht es einen Unterschied, ob wir bereits Zeit und Geld in ein Projekt investiert haben oder nicht. In der Forschung hat dieses Verhalten auch einen Namen: Sunken Cost Effekt. Die Prospect Theory (Neue Erwartungstheorie) von Kahneman & Tversky (1979) erklärt anschaulich, wieso wir uns in Situation A anders entscheiden, als Situation B.
Die Prospect Theory wurde auf Basis empirischer Befunde als Alternative zur Erwartungsnutzentheorie der klassischen Ökonomie entwickelt. Sie beschreibt die Entscheidungsfindung in Situationen der Unsicherheit und Ungewissheit und berücksichtigt kognitive Verzerrungsphänomene.
Die Erwartungsnutzentheorie geht davon aus, dass Entscheidungen auf den Endzustand ausgerichtet und mit Blick auf das Gesamtvermögen getroffen werden. Somit sollten wir in beiden Situationen A und B die Investition von 1 Million Euro mit dem zu erwartenden Ergebnis vergleichen. Entsprechend müssten wir in beiden Situationen die Investition ablehnen. In beiden Situationen scheint ein negatives Ergebnis wahrscheinlich.
Diese Theorie widerspricht den Beobachtungen in der Praxis. Denn wir berücksichtigen in unseren Entscheidungen nicht nur die Zukunft (Endergebnis), sondern auch die Vergangenheit (bisherige Investitionen). Wir reagieren somit vielmehr auf die relative Veränderung zu einem Referenzpunkt (bisherige Investitionssumme, Kaufkurs, Zeitinvestment). Wir achten darauf, welche Veränderung eine Entscheidung gegenüber unserem Referenzpunkt bewirkt.
Abbildung 01 zeigt die Grundannahmen der Prospect Theory. Ausgehend von unserem Referenzpunkt beurteilen wir, ob eine Situation für uns einen Gewinn oder einen Verlust darstellt. Wie die Kurvenverläufe zeigen, haben wir eine abnehmende Sensitivität gegenüber Gewinnen und Verlusten. Diese abnehmende Sensitivität erklärt, warum wir uns in Situation A anders entscheiden, als in Situation B.
Betrachten wir zunächst Situation B. Wir haben bisher keine Investitionen getroffen und ausgehend von den vorliegenden Informationen, wäre der Beginn der Flugzeugentwicklung wahrscheinlich ein Verlust von 1 Million Euro. Die damit verbundene Verlustwahrnehmung bzw. der wahrgenommene Verlustschmerz ist hoch (Abbildung 2, rechter Rand). Daher sind wir geneigt das Projekt abzulehnen.
In Situation A haben wir bereits 9 Millionen EUR investiert. Der aktuell empfundene Verlustschmerz ist hoch. Die Investition einer weiteren Million würde unsere subjektive Verlustwahrnehmung nur mehr gering verändern. Der Verlustschmerz von einer Million bei Abschlussinvestition ist deutlich geringer, als jener bei einer Million Neuinvestition (siehe Abbildung 2, linker Rand). Somit: Nicht der absolute Wert, sondern die relative Veränderung beeinflusst unser Entscheidungsverhalten.
In unserem Beispiel spielt neben dem Faktor "Relative Veränderung zum Referenzwert" auch der Faktor "Hoffnung" eine entscheidende Rolle. Verluste, werden erst dann als solche empfunden, wenn diese realisiert und damit auch subjektiv Realität sind. Dies verleitet uns dazu, schlechtem Geld, gutes nachzuwerfen. Denn: Solange ein Projekt nicht abgeschlossen ist, man in einer Aktie investiert bleibt, solange kann man hoffen, dass sich das Blatt doch noch zum Guten wendet. Der Preis für diese Hoffnung ist meist sehr hoch. Ein Preis, den wir unter anderen Umständen nicht bereit wären zu zahlen. Denken Sie nur an Situation B.
Wie kann jeder von uns den Sunken Cost Effekt vermeiden? Ganz einfach. Gilt es eine bereits getroffene Investitionsentscheidung neu zu überdenken, so stellen Sie sich folgende Fragen:
Wenn ich mein Nachfolger wäre, wie würde ich mit diesem Projekt fortfahren? Was wären meine Gründe für einen Abbruch?
Wenn ich das Projekt heute zum ersten Mal sehen würde, wie würde ich mich entscheiden? Was wären meine Hauptgründe?
Wenn ich das Kapital von diesem Projekt, von dieser Investition abziehe, wo kann ich stattdessen investieren?
Frage 1 und 2 ermöglichen es Ihnen den Einfluss der Vergangenheit zu reduzieren. Ihre Entscheidungen werden weniger von der Vergangenheit, sondern mehr von der erwarteten Zukunft beeinflusst.
Durch Frage 3 können Sie erkennen, welche Alternativen Sie bei Weiterführung des Projektes bzw. bei Halten der Investition verpassen würden. Auch das kann schmerzen.
Die Verhaltensökonomie und Entscheidungstheorie umfassen zahlreiche weitere spannende und wichtige Ergebnisse und Modelle. Gerne beraten und begleiten wir Sie bei der Integration und Anwendung verhaltensökonomischer Erkenntnisse in Ihr Management und Ihrer Organisation.
Literaturhinweise:
Ariely, Dan (2008): Denken hilft zwar, nützt aber nichts. Warum wir immer unvernünftige Entscheidungen treffen. München, Droemer.
Braun, Walter (2010): Die (Psycho-)Logik des Entscheidens. Fallstricke, Strategien und Techniken im Umgang mit schwierigen Situationen. Bern, Verlag Hans Huber.
Gigerenzer, Gerd (2008): Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. Goldmann Verlag.
Jungermann, Helmut (2010): Die Psychologie der Entscheidung. Heidelberg, Spektrum akademischer Verlag.
Kahneman, Daniel; Tversky, Amon (1979): Prospect theory: An analysis of decision under risk. Econometrica, Vol. 47, No. 2, S. 263-291.
Kahneman, Daniel (2011): Schnelles Denken, langsames Denken. München, Verlagsgruppe Random House GmbH
Lindstädt, Hagen (2007). Problemlösen und Verstehen bei ökonomischen Agenten – Eine Gegenüberstellung ökonomischer und kognitionspsychologischer Modelle regelbasierten Entscheidens. Neuro Psycho Economics, 2 (1), 30–43.
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