Jeder von uns kennt das Gefühl eine Entscheidung im Rückblick zu bereuen. Reue ist nicht nur eine Folge von schlechten Entscheidungen - Sie ist ebenso Ursache. Erfahren Sie, wie uns die Angst vor Bedauern und Reue in unseren Entscheidungen beeinflusst und wie Sie damit umgehen können.
Sie haben 5.000 Euro in eine Aktie investiert. Seit dem Sie die Aktie besitzen hat sich der Kurs kaum verändert. Sie halten bei einem Wert von 5.000 Euro. Der Aktienindex ist hingegen stark gestiegen. Was sollen Sie nun tun? Die Aktie verkaufen? Was, wenn sie kommende Woche einen Sprung macht und zum Index aufschließt? Sie würden sich fürchterlich ärgern. Also behalten Sie das Papier lieber doch noch.
Nach wochenlanger Analyse und zahlreichen Meetings steht die Entscheidung an. Soll Ihr Unternehmen den Eintritt in den neuen Markt wagen? Eigentlich sind die Geschäftsergebnisse sehr gut. Zahlt es sich da aus das neue Risiko aufzunehmen? Zeit, Personal und Geld zu investieren? Was wenn es schief geht? Doch lieber den Markteintritt verschieben und abwarten, wie sich die Situation weiter entwickelt.
Wieder ein Lottojackpot. Kurzentschlossen geben Sie einen Tipp ab. Die Trafikantin fragt Sie, ob Sie auch das "Ja" beim Joker angeben möchten. Was wenn gerade Ihre Zahlen gezogen werden? Sicher ist sicher - kostet ja nur 1,30 Euro.
Bei Entscheidungen, besonderes in finanziellen Angelegenheiten, kalkulieren wir in unseren Überlegungen ein, ob wir im Nachhinein etwas bereuen könnten oder nicht. Die Psychologie spricht von Regret Aversion. Wir versuchen das Gefühl von Reue zu vermeiden und richten unser Entscheidungsverhalten an erwarteten Reuegefühlen aus. Unser Maß an Bedauern ist nicht vom absoluten Ergebnis der gewählten Alternative abhängig. Vielmehr entsteht es im Vergleich mit den Ergebnissen der nicht gewählten Optionen. Unsere Wahl kann zum gewünschten Ergebnis führen, eine andere hätte dieses jedoch übertroffen. Schon bereuen wir, dass wir uns nicht anders entschieden haben.
Das Ausmaß empfundener Reue, ist neben dem relativen Vergleich der Ergebnisse verschiedener Alternativen auch von folgenden Faktoren abhängig:
Selbstbeteiligung
Je mehr Einfluss und Verantwortung wir im Entscheidungsprozess haben, desto stärker befassen wir uns mit möglichen negativen Folgen und Emotionen. Haben wir die Auswahl delegiert und führen nur die empfohlene Handlung aus, so zeigt sich ein schwächeres Reuegefühl. Ein Grund, warum Entscheidungen gerne delegiert werden.
Veränderung
Setzen wir aktive Handlungen und zeigt sich ein suboptimales Ergebnis, so bedauern wir unsere Entscheidung stark. Entscheidet man sich hingegen, keine Veränderung einzuleiten und den Stand der Dinge beizubehalten, so ist unser Bedauern bei negativem Ergebnis geringer. Eine Ursache, warum wir in unsicheren Situationen gerne den Status Quo wählen. Denn: Wenn es schiefgeht, dann tut es zumindest emotional weniger weh.
Freiwilligkeit
Können wir selbst nicht frei wählen, wie im Falle von Schicksal oder Zwang, ist unser Bedauern gering. In diesen Situationen haben wir uns wenig oder nichts vorzuwerfen.
Mehrheitsmeinung und Standardoption
Auch bei der Wahl von allgemein anerkannten Alternativen oder Routineentscheidungen empfinden wir ein geringes Bedauern. In verschiedenen Vertragsvorlagen wird eine Variante als die Standardoption präsentiert. Ein Abweichen von dieser Variante wird als risikoreicher empfunden. Dies reduziert die Wahrscheinlichkeit für ungewöhnliches oder unkonventionelles Handeln. Auch die Markenindustrie stützt sich auf diesen Effekt. Markenprodukte vermitteln uns breite Akzeptanz und das Gefühl von Sicherheit und Qualität. Daher sind wir bei unsicheren Entscheidungen geneigt, mehr Geld für einen Markenartikel auszugeben als für ein NoName Produkt.
Fremdgewinne
Profitieren andere Personen von unserer suboptimalen Wahl, so neigen wir zu einem stärkeren Bedauern (social takeover). Hierfür reicht bereits der hämische Blick des Kollegen oder die Idee übervorteilt worden zu sein aus.
Rückblick
Je einfacher die zukünftige Vergleichbarkeit der Alternativen und je unmittelbarer diese Information zugänglich ist, umso größer ist das erwartete und auch empfundene Bedauern.
Anzahl an Alternativen
Mit steigender Anzahl an Alternativen steigt die Wahrscheinlichkeit einer suboptimalen Wahl. Daher gewinnt der Faktor Reue mit steigender Wahlfreiheit an Bedeutung.
Zusammenfassend führt die Regret Aversion dazu, dass wir in der Betrachtung von Alternativen mögliche Nachteile und Risiken stärker berücksichtigen. Dies ist in vielen Alltagssituationen wichtig und hilfreich. Was passiert jedoch in unklaren komplexen Situationen, deren zukünftige Entwicklung nur schwer absehbar ist? Also jene Situationen, denen wir im Wirtschaftsleben am häufigsten begegnen?
Wir verfangen uns in langen Recherchen und vermeiden die Entscheidungssituation.
Wir delegieren die Entscheidungen an andere und bezahlen Honorare an Dritte.
Wir bevorzugen Standardentscheidungen und Routineentscheidungen, die leichter gerechtfertigt werden können.
Wir entschließen uns lieber nichts zu tun (Status Quo Bias), statt eine aktive Handlung zu setzen.
Diese klassischen Verhaltensweisen reduzieren das erwartete Bedauern, sind jedoch nicht förderlich im Sinne des eigentlichen Problems. Nicht-Entscheiden und die Beibehaltung des aktuellen Zustandes sind häufige Fehler in Unternehmen. Auch wenn wir uns selbst nicht ändern, ändert sich die Welt um uns. Heute verpasste Anpassungsprozesse können Ursache der wirtschaftlichen Probleme im Morgen sein.
Darüber hinaus kann uns die Vermeidung von Bedauern und Reue auch zur Wahl riskanter Alternativen verleiten. Nämlich dann, wenn durch die Wahl der riskanten Alternative ein späterer Ergebnisvergleich ausgeschlossen werden kann. Geringe Vergleichbarkeit der gewählten Alternative mit nicht-gewählten Alternativen fördert dieses Verhalten.
Das Streben nach Vermeidung von Bedauern und Reue ist ein starkes emotionales Motiv. Wir können diese Emotionen weder negieren noch abschotten. Jedoch können Sie in der Gestaltung von Entscheidungssituationen das zu erwartende Bedauern aktiv reduzieren ohne dadurch die Entscheidungsqualität negativ zu beeinflussen. Folgende Maßnahmen können Sie ergreifen:
Zieldefinition
Definieren Sie klar und überprüfbar, welches Ziel Sie verfolgen. Legen Sie fest, welche Kriterien für eine passende Alternative gegeben sein müssten und anhand welcher Größen Sie die Erreichung Ihres Zieles später prüfen können.
Selektion von Information und Alternativen
Geben Sie sich nicht passiv der Informationsflut hin. Wählen Sie anhand Ihrer Kriterien aktiv Informationen und Alternativen aus. Bedenken Sie, dass unsere Kapazität zur Informationsverarbeitung begrenzt ist. Also nicht die Quantität an Information führt zu guten Entscheidungen, sondern deren Qualität. Schränken Sie ebenso die erarbeiteten Alternativen auf drei bis vier Möglichkeiten ein.
SWOT-Analyse
Analysieren Sie gewählte Alternativen hinsichtlich ihrer Stärken-Schwächen, Chancen-Risiken. Berücksichtigen Sie bei dieser Analyse auch den Status Quo sowie eine mögliche Standardoption. Welche Risiken beinhalten diese beiden Varianten? Sind Sie Ihrem Ziel dienlich oder hinderlich? Welche Verantwortung tragen Sie, wenn Sie nicht handeln?
Verabschiedung von der Endgültigkeit
Da Entscheidungsprozesse mit Aufwand und Verzicht verbunden sind, versuchen wie diese Situationen zu meiden. Gerne haben wir das Gefühl, dass etwas entschieden und damit abgelegt werden kann. Vielmehr verlangen komplexe und selbstveränderliche Situationen eine laufende Anpassung getroffener Entscheidungen. Daher: Lösen Sie sich von dem Gedanken mit einer einmaligen Entscheidung das Problem gelöst zu haben. Ebenso wenig gibt es per se gute oder schlechte Entscheidungen. Den größten Fehler, den Sie machen können, ist die fehlende Überprüfung der Passung zwischen gewählter Alternative und Umfeld bzw. angestrebtem Ziel. Prüfen Sie laufend die Wirkungen Ihrer Alternative und lassen Sie diese mit dem Umfeld mitwachsen.
Blick in Richtung Ziel
Lassen Sie sich nicht verleiten, die gewählte Alternative anhand von nicht gewählten Optionen zu beurteilen. Dies verändert weder Ihre aktuelle Situation, noch hilft es Ihnen bei Entscheidungen in der Zukunft. Messen Sie Ihre Alternative an der Erreichung des gesetzten Ziels. Anhand dieses Ist-Soll-Vergleichs können Sie Anpassungsbedarf und Möglichkeiten zur Verbesserung erkennen. Dies kann Ihre aktuelle Situation verbessern, ganz ohne Reue.
Die Regret Aversion stellt einen Aspekt der Entscheidungspsychologie dar. Bereits die Anpassung der Rahmenbedingungen in Entscheidungsprozessen an diesen Effekt kann die Entscheidungsqualität in Ihrem Unternehmen deutlich verbessern. Wählen Sie ein oder zwei Punkte aus und beginnen Sie diese in Ihre Entscheidungsprozesse zu integrieren. Sie werden den Unterschied erkennen.
Sie möchten mehr zum Thema Entscheidungsmanagement erfahren oder Entscheidungsprozesse in Ihrem Unternehmen effektiver gestalten? Gerne stehen wir Ihnen für weiterführende Gespräche und in der Begleitung und Umsetzung von Maßnahmen zur Verfügung.
Ihre Entscheidung.
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